30 Jahre Kultur auf der Burg

Jubiläum

Im März 1992 machte das Philharmonische Orchester Frankfurt (Oder) den Auftakt für ein seit nunmehr 30 Jahren etabliertes Kulturprogramm auf der Burg Beeskow. Noch im selben Jahr, am 11. Dezember, gründete sich der gleichnamige Förderverein. Am 11. Juni 1991, also bereits ein Jahr zuvor, hatten auf dem Burggelände zudem umfangreiche Umbau- und Sanierungsarbeiten begonnen.

Drei Jahrzehnte später haben nicht nur die Bagger erneut auf der Burg Einzug gehalten. Es haben sich hinter deren Mauern auch sehr unterschiedliche Schwerpunkte im Kunst- und Kulturprogramm entwickelt. Das benachbarte Kunstarchiv mit mehr als 17.000 Kunstwerken aus der DDR, die jährlichen Künstlerresidenzen für Burgschreiber:innen, bildende Künstler:innen und junge Opernsänger:innen haben sich herumgesprochen und gehören heute zum Kanon der wiederkehrenden Formate. Hinzu kommen die regelmäßigen Burgfeste im Frühjahr und Herbst, die Vorführungen im Museum selbstspielender Musikinstrumente sowie neuerdings auch die „Burgspiele“, in deren Rahmen Künstler:innen und Kinder gemeinsam den Bergfried erobern, um dort spielerisch das Thema Burg zu hinterfragen.

Mit dem Neubau der Burghofbühne aus Fördermitteln zur ländlichen Entwicklung im Rahmen von LEADER entsteht schließlich noch in diesem Jahr ein flexibel nutzbarer Kreativcampus für das jährliche Sommerkulturprogramm, Galerieausstellungen regionaler Kunstschaffender, künstlerische Sommerwerkstätten und öffentliche Konferenzformate.

Mit dem dort mittlerweile beheimateten Kultur- und Sportamt des Landkreises wird die Burg Beeskow mehr und mehr zum Dreh- und Angelpunkt für kulturelle Entwicklungen in der Region – mit dem Anliegen, die dort historisch gewachsene und sich aktuell sehr divers weiterentwickelnde Kulturlandschaft zu erfassen und zu bereichern. Gefolgt wird dabei einem Kulturverständnis, das sich den Menschen der Stadt und Region zuwendet. Mit dem jährlichen „Kursbuch“ und den wechselnden Themenstellungen im neuen museum oder-spree wird Geschichte aus gegenwärtiger Perspektive heraus erlebbar.

Als verlässliche Partner stehen dem Landkreis als Träger der Burg Beeskow allen voran die Kreisstadt Beeskow, das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur und das Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg sowie die Ostdeutsche Sparkassenstiftung und die Sparkasse Oder-Spree zur Seite.

Künstler:innen und Kulturschaffende, Kultur- und Naturtourist:innen, Kulturinteressierte aus der Region und Beeskow entdecken die Burg als Ausflugs- und Arbeitsort zur Erholung und Entwicklung neuer Ideen.

Burggespräche

Raum- und Soundinstallation

© Büro für Weltgestaltung/ Blumenfisch
Burggespräche - Raum- und Soundinstallation im Salzhaus zu 30 Jahren Kultur auf der Burg

30 Jahre Kulturarbeit in Brandenburg, in diesem zu Unrecht als Provinz gescholtenen Land, sind ein Grund, mit Zuversicht nach vorne zu blicken. Künstler:innen vom Büro für Weltgestaltung haben mit Menschen aus bewusst unterschiedlichen Perspektiven sogenannte Burggespräche geführt und wagen den Versuch, einen Ein- und Ausblick auf die vergangenen und zukünftigen 30 Jahre des Kunst-, Kultur- und Ausstellungszentrums in Trägerschaft des Landkreises Oder-Spree zu geben.

Zu den Interviewpartner:innen zählen alte und neue Burg-Direktor:innen und
-Mitarbeiter:innen ebenso wie Besucher:innen. 

Ausstellung bis 19. Juni 2022

Glückwünsche unserer ehemaligen Burgschreiber:innen

Burgschreiberin 2023

Die dreißigste bin ich, die diesen Titel trägt, die Stadt im selben Wintermonat kennenlernt, auf denselben Wegen, geht dieselben Orte besucht und vielleicht dieselben Gedanken denkt, wie einer der neunundzwanzig vor mir hier.
Ist das derselbe Fuchs dort im Hof, der in den dunklen Ecken nach Mäusen sucht?

Ich drehe denselben Fenstergriff auf, schlafe mit neunundzwanzig Burgschreibern im selben Bett, lebe mit allen hier zusammen im selben Zimmer, denke mit ihnen in Geschichten, schreibe mit allen gemeinsam unseren Text.
Dicht aneinander gedrängt leben wir in unserer Kemenate, spüren denselben Jahreszeitenwandel, riechen die Knospen, fegen die Pappelpollen vom Boden, die durchs Fenster ins Zimmer schweben, drehen denselben Fensterknauf zu und verabschieden uns alle voneinander im Mai. Nur haben wir niemals im selben Flusswasser gebadet.

Burgschreiberin 2009

Ich bin Stadtkind durch und durch. Die Schreie
des mir unbekannten Tieres, das ausschließlich
im Dunklen den Burginnenhof bewohnt, erzählen
mir von Mark und Bein, vom Fressen und vom
Gefressenwerden. Ich höre den Baum vor dem
Fenster, deshalb den Wind. Ich hatte es
vergessen, dieses Bedürfnis nach Stille, das
so leicht untergeht, im Tumult der Stadt. Ich
habe die Stadt vergessen, in der ich Schritt
zu halten habe. Hier gehe ich in meinem
eigenen Tempo die Strassen ab, die
Geschwindigkeitsanzeige Richtung Zentrum
behauptet, ich ginge fünf Kilometer die
Stunde, so lässt es sich gehen.

Ich bin Stadtkind durch und durch. Hier hat
man die Gelassenheit für Nebensätze, die Ruhe
für Einschübe, so bilde ich es mir ein, doch
was weiß ich von den Menschen hier, von ihren
Tagen und ihrer Eile. Was weiß ich schon vom
Hinterdenfenstern, denke ich, und ich gehe,
fünf Kilometer die Stunde, ich gehe über den
Platz, ich gehe durch die sauber gefegte
Geraniengassenwelt, und was weiß ich schon vom
Menschen nebenan. Die Nächte sind tierreich,
schreibe ich an Schlotti, und menschenleer ist
der Blick aus dem Fenster des Nachts. Schlotti
ist klug. Er sagt, das Ausderweltliche ist ein
formidabler Zustand, ich solle genießen, aus
meiner Welt zu sein, um eine neue zu
entdecken. Und er sagt auch, die Kröten, die
ich nachts zu hören meine, sie seien
vermutlich Frösche. Neulich waren Engländer
und Dänen im Innenhof, eine Braut mit ihrem
Bräutigam war hier, eine Horde Kinder, sie
liefen schneller als fünf Kilometer die
Stunde, ein kurzes Aufwirbeln im Hof der Burg.
Ich fege die Räume, so nehme ich sie ein, viel
Sand fege ich in die Schaufel, das war mir
vorhergesagt worden, sehr sandig ist es dort,
sagte ein Freund. Er sagte nichts von den
Weiden und Gräsern am Ufer, von den
verwunschenen Seitenarmen des Flusses, vom
Licht auf den Feldern um zwanzig Uhr dreißig,
er sagte nichts vom Glashaus-Café am Wasser,
von dem Stadtmauerweg, von den Enten im Gras.
Ich werde ihm davon berichten.

Burgschreiberin 2012

Ich habe Beeskow zwei Entdeckungen zu verdanken:

Jean-Pierre Barthélemy Rouanet, der französischstämmige Kämmerer, der die Stadt vor der Zerstörung durch die napoleonischen Truppen bewahrt hatte und ein Vorfahre von Theodor Fontanes Frau war und Paul Marcus, genannt Pem, der zwischen den Kriegen einer der wichtigsten Kritiker, vor allem Filmkritiker Berlins war – und nach seiner Vertreibung als Jude in London zum „Pressesprecher des Exils“ (B. Brecht) wurde.

Gern erinnere ich mich an die Herzlichkeit der Beeskower, an die vielen Blumen in den Gärten, an die Nebel über der Spree im November, ans Schwimmen in der Spree im Sommer, an die wunderbaren Sänger aus aller Welt bei Oper-Oder-Spree auf der Burg und an die spitzen Hüte der Stadtmauer.

In Dankbarkeit

Inka Bach

Burgschreiber 2016

Die Burg

 

Staub wehte übers Land, ocker war der Himmel. Seit Wochen hatte es nicht mehr geregnet; der Ritter wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er ritt in den Hof seiner Burg; hohl klangen die Hufe. Dort brachten die Bauern ihre Abgaben – da mauerten sie lahm am Turmfundament: Ein Kerker, sie selbst zu knechten. Eine Festung sollte diese Burg werden, tausend Feinde abzuwehren! Doch sie wurde nur Herrschaftszentrum.

Angeeignet. Anverwandelt. Der Gegenwart.

Kulturzentrum, für Altes und Lebendiges: Die Tore stehen weit offen; wer braucht heute noch Mauern? Die Burg bewahrt die Schätze, für die die Bürger einst gezahlt haben. Die zu sehen sie hierher kommen. Die Reifen knirschen auf dem Kies. Der Burgschreiber radelt von der Baustelle. Nach Krügersdorf: Er wischt sich den Schweiß von der Stirn; seit Wochen hat es nicht geregnet. Ocker ist der Himmel, Staub weht übers Land.

In der Ferne donnern die Kanonen.

 

 

[907 Zeichen]

Burgschreiber 2008

Jungspund

 

Beeskow, im Jahr 2008. Ich wollte mit dem Bus nach Trebitz, um den Jazzer Hannes Zerbe zu besuchen. Nur zwei Busse am Tag fuhren dorthin, der eine am Morgen, zu einer Zeit, in der ich gewöhnlich schlafen ging, der andere am Mittag. Ratlos stand ich auf dem Busbahnhof, dann fragte ich eine Busfahrerin nach dem Bus nach Trebitz. Ach, sagte sie, der ist schon durch. Damit hätte die Sache erledigt sein können. Nicht so in Beeskow. Die Busfahrerin nämlich kramte das Handy hervor und rief ihren Kollegen an: Du, hier steht noch einer. Der will mit dir nach Trebitz. Tatsächlich kehrte der Trebitz-Bus noch einmal um, um mich aufzulesen. Und die Fahrgäste nahmen es, statt zu rebellieren, stoisch hin.

 

Mit Erstaunen denke ich heute zurück, was alles in Beeskow passiert ist, ganz so, als hätte ich damals zwei Leben geführt. Oder drei, denn ich habe ja auf der Burg noch einen ganzen Roman geschrieben, von der ersten Zeile bis zur letzten, „Der Sturz des Friedrich Voss“. In einer blauen Mappe ist alles versammelt, Zeitungsartikel, Kolumnen, Briefe. Und immer noch stecke ich etwas dazu, dann, wenn Post von Ingrid Müller eintrifft, ihre Kärtchen, ihre beigefügten Zeitungsausschnitte, einmal ein Foto von Tilman Schladebach auf seiner roten Vespa.

 

Burg Beeskow also, wie wir sie kennen, feiert Geburtstag, ihren dreißigsten. Für eine so alte Burg klingt das verblüffend jugendlich, als ginge es nicht mit rechten Dingen zu. Aber irgendwie stimmt es halt auch. Darum dem Jungspund die herzlichsten Glückwünsche ebenso wie Arnold Bischinger und seinem Team.

 

Burgschreiberin 2017

BURG und BURGHOF Brot Balladen singen wir den PalasSONG zu Bergfried Burggraben Brett an
Brettern bombastische Jubeljahre: in deinem dicken Bauch will ick verschwinden, in deinem dicken
Bauch feste Mauern will ick drinnebleiben, in deinem dicken Bauch will ick ganz weich sein.    

Burgschreiber 2010

Beeskower Empfang

 

Die erste nacht auf der burg

vorm fenster der kemenate

tobten die jawortigen

mit feuerwerk wummernden boxen als

ginge es um ihr leben

 

Am morgen bestaunte ich mein asyl:

im teeglas das grünschöne heupferd

am vorhang der spatz die spinne

hatte die stiege versiegelt zartes ge-

web ich mich ein in silben und bildern

 

[aus: Armin Strohmeyr: Ende der Schonzeit. Gedichte. Schweinfurt 2015]

Burgschreiber 2012

Ich habe Beeskow zwei Entdeckungen zu verdanken:

Jean-Pierre Barthélemy Rouanet, der französischstämmige Kämmerer, der die Stadt vor der Zerstörung durch die napoleonischen Truppen bewahrt hatte und ein Vorfahre von Theodor Fontanes Frau war

und Paul Marcus, genannt Pem, der zwischen den Kriegen einer der wichtigsten Kritiker, vor allem Filmkritiker Berlins war – und nach seiner Vertreibung als Jude in London zum „Pressesprecher des Exils“ (B. Brecht) wurde.

Gern erinnere ich mich an die Herzlichkeit der Beeskower, an die vielen Blumen in den Gärten, an die Nebel über der Spree im November, ans Schwimmen in der Spree im Sommer, an die wunderbaren Sänger aus aller Welt bei Oper-Oder-Spree auf der Burg und an die spitzen Hüte der Stadtmauer.

In Dankbarkeit

Inka Bach

Burgschreiber:in 2022

Die Burg war mir Baustelle, ich selbst Baustelle in der Burg. Arbeiten im außen wie im innen, manche davon fertiggestellt und bald zu besichtigen.

Burgschreiberin 2011

jüdischer friedhof beeskow

wie die wunde

brennt

noch hundert jahre später

im herzen brennt

erzählt

der stein

erzählt

vom fehlenden blick

in augensterne

vom verlorenen leib

der in asche und erde vergeht aber

die sehnsucht vergeht nicht

wie die sinne in die irre laufen

trügerisch

der stein erzählt

was alles war

erzählt es

wem?

beeskow, 8.juli 2011

© Büro für Weltgestaltung/Blumenfisch
© Büro für Weltgestaltung/Thomas Kläber
© Blumenfisch/Büro für Weltgestaltung
© Büro für Weltgestaltung/Thomas Kläber
© Büro für Weltgestaltung/Thomas Kläber

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